2.9.2020 Esneux B (Tag 92, 5’630km)

64.20km, 312hm, 4:37h, sonnig, teilweise bedeckt, 20°

Ich hatte ohne Frühstück gebucht und bestellte einfach einen Cappuchino. Die Chefin offerierte mir diesen gleich und sagte, ich soll mich doch am Buffet bedienen, Morgenessen sei vorbei und es seien noch so viele Sachen übrig. Das liess ich mir nicht zweimal sagen. Und einen Kaffee könne ich auch nochmals bestellen. Wie ich das wohl verdient habe…

Ich ging noch kurz bei der Ruine vorbei und fuhr dann weiter der Maas entlang. Maastricht habe ich nur angeschnitten und kam dann kurze Zeit später an die Grenze. Bis auf einen Markstein gab es wieder keine Indizien für eine Grenze. Scheiss offenen Grenzen 😉 Und dann war ich in Belgien.

um 1115 erbaut
Ein Foto einer Mühle darf natürlich aus Holland nicht fehlen
Grenzstein zu Belgien

Bis nach Liège folgte ich dann dem Albertkanal, welcher parallel zur Maas verläuft. Nach 40km kam ich in Liège (Lüttich) an. Komplett andere Welt! Etwas heruntergekommene Stadt, bunt gemischte Ethnien, alle maskiert auf den Strassen und man spricht französisch!

Auf einmal bemerkte ich etwas in meiner Hosentasche. Einen Schlüsselbund. Das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder, das ist der Schlüsselbund vom Hotel! Und zwar nicht vom Zimmer, sondern vom Nebengebäude wo mein Fahrrad drin stand. Das gibt Theater, da war ich mir sicher. Ich rief das Hotel dann sofort an und die Frau von der Rezeption sagte mir, ich müsse den Schlüssel zurückbringen, sie hätten nur einen Satz für das Nebengebäude und heute käme bestimmt Leute, welche ihre Fahrräder auch unterstellen möchten. Ich sagte ihr, dass das nicht geht, ob ich ihn nicht trotzdem schicken könne? Kurze Zeit später war die Chefin am Apparat und sagte mir, ich könne den Schlüssel mit der Post schicken. Sie nahm es mir nicht einmal übel und sagte nur, ich hätte es ja bestimmt nicht mit Absicht gemacht. Ich googelte dann für eine Post und fand eine bpost gleich in der Nähe. Ich nahm den Schlüsselbund auseinander und klebte mit Tape alles auf ein Karton und schmiss das Zeug in ein Luftpolster-Couvert, welches ich bei der Post erhielt. Erst als mir der Pösteler das Couvert abnahm und es entsprechend frankierte, viel mir ein grosser Stein vom Herzen. Priority International. War natürlich unglücklich das ich just an dem Tag eine Landesgrenze überquerte. Hatte mich echt belastet und ich brauchte nach dem Schock zuerst mal ein Bierchen gleich gegenüber der Post.

In der ganzen Stadt herscht Maskenpflicht

Gegen 16 Uhr fuhr ich dann von Liège weiter und folgte der L’Ourthe, ein Nebenfluss der Maas, für die restliche Zeit des Tages. In Tillf ging ich nochmals einkaufen und besuchte bei herrlichem Wetter nochmals eine Gaststätte. Auch die Franzosen haben niergens kühles Bier in den Supermärkten, merde.

sogar auf solchen Wegen herrscht Maskenpflicht
bin schon wieder so weit südlich, das Palmen gedeihen

Gegen 20 Uhr überquerte ich eine Brücke und fand dann unterhalb der Brücke in einem der Tunnel ein geeignetees Nachtlager. 2 Tunnels waren für Autos, 1 für Fussgänger und Fahrräder und einer war eben unbenutzt, meiner. Für den nächsten Morgen meldete es Regen und Hotels sind dünn gesät entlang der L’Ourthe, deshalb war ich zufrieden mit der Wahl. Über die Brücke fuhren zwar im Halbstundentakt Züge, aber in der Nacht würde diese laut Fahrplan nicht fahren. Ich wartete allerdings noch ein Weilchen mit dem Aufstellen des Zelts, weil immer noch viele Autos durch die beiden anderen Tunnels fuhren, denn der Weg zum Fussballplatz führte hierdurch. Gegen halb Zehn stellte ich mein Zelt auf und hoffte wiederum auf Regen in der Nacht…

Yes! Under the Bridge

1.9.2020 Valkenburg NL (Tag 91, 5’566km)

79.87km, 273hm, 5:02h, morgen sonnig, danach bedeckt, wenig nordwind, 17°

Fuhr um 10 los bei strahlendem Sonnenschein und der Weg folgte wieder der Maas, obwohl ich diesmal den Fluss nicht häufig sah. Bin dann via Venlo, Reuver, Roermond nach Sittard gefahren.

War froh um die Sonnenstrahlen, war kühler Morgen
Maas
Netter Kreisel
Roermond
Sittard

In Sittard hatte ich genug von den schönen Velowegen und fuhr noch ein wenig freestyle über Feldwege. Und genau da entschied ich mich durch Belgien und Frankreich zu fahren, anstatt zurück nach Deutschland und dem Rhein entlang. Ich brauche noch ein wenig Berge und unkonventionelle Wege anstatt Veloautobahnen am Rhein entlang.

Wer jetzt denkt, Belgien? Die haben doch so viele Infektionen? Das war mal, mittlerweile hat die Schweiz Belgien sogar wieder überholt und Belgien ist auch nicht mehr auf der BAG-Liste. Das heisst, Leute welche aus Belgien zurück in die Schweiz kommen, müssen nicht mehr in Quarantäne.

Ich fuhr dann bis Valkenburg und checkte im Hotel Atlantis ein.

Valkenburg aan de Geul (mit Ruine Valkenburg, einzige Höhenburg der Niederlande)

Das wars dann bereits von Holland und werde Liège (Lüttich) anvisieren, dann durch die hügeligen Ardennen.

31.8.2020 Bong NL (Tag 90, 5’486km)

76.33km, 241hm, 4:54h, bedeckt, leichter wind, 17°

Da ich am Morgen noch lange auf mein Morgenessen warten musste (es wurde ins Zimmer geliefert) fuhr ich erst nach 11 Uhr los. Dies ist allerdings nur eine Ausrede, wäre sowieso nicht früher dran gewesen. Ich verliess Arnhem über den Nederrijn. Wie der Name verrät, handelt es sich um den Niederrhein, einer der Ausläufer des Rhein.

Eusebiuskerk, gotische Kirche, mit 93m grösstes Gebäude in Arnhem
Blick auf Arnhem
Das ist ein Fahrradweg wohlbemerkt
Äpfel gibt es überall zu ergattern momentan

Bald einmal kam ich nach Nijmegen, der ältesten Stadt Hollands. Ich fuhr über die Waalbrug und wie der Name verrät, überquerte ich den Fluss Waal. Waal ist der grösste Ausläufer des Rhein. Der Rhein hat so viele Ausläufer in Holland, da verliert man schnell die Übersicht. Absolut herrliche Sicht auf die ganze Stadt.

Sandstrand von Nijmegen
Vortritt vor den Autos!
Nijmegen
Nice view
Überquerung der Waal, grösster Ausläufer des Rhein

Kurz nach Nijmegen überquerte ich einen holländischen Berg. Satte 80 m.ü.M! Die höchste Erhebung auf der europäischen Niederlande ist übrigens der Vaalserberg in Limburg mit satten 322.7m.ü.M. am südlichsten Zipfel an der Grenze zu Deutschland und Belgien.

Im Verlauf des Nachmittag war ich sogar kurz wieder auf deutschem Boden, habe ich allerdings erst im Nachhinein mit Hilfe der GPS-Daten festgestellt.

Gehört ganz klar zur Kategorie „Was guckst du?“

Ich fuhr dann in der Region Limburg alles der Maas entlang, welche ziemlich nahe an der deutschen Grenze entlang geht. Dies merkt man auch an den Touristen, auch hier sehr viele Deutsche. Die Maas übrigens fliesst dann irgendwo in einen der Ausläufer des Rhein.

Maas

In Arcen ging ich mal einkaufen und suchte mir dann wieder ein wild camp. Ich fand dann ein geeigentes Plätzchen. Im Nachhinein habe ich festgestellt, dass es etwas zu nahe an der N271 lag, die hörte ich nämlich ziemlich gu. Zu gut.

Als ich im Dunkeln am Bloggen war, fuhr ein Auto die Schotterpiste entlang und hielt in meiner Nähe an. Ich habe dies zu spät realisiert und den Deckel des Laptops zu spät geschlossen. Mist, da hat mich wer wohl gesehen. Das Auto fuhr dann weiter und ich habe es wieder vergessen. Kurze Zeit später kam wieder eines von der anderen Seite und hielt wieder auf meiner Höhe an und fuhr dann mit Volllicht halb in den Wald hinein und beleuchtete mein Camp und wartete. Ich lief zum Auto und einer fragte „What are you doing?“ – „Campen! Problem?“. Nein, es wäre zwar illegal aber kein Problem. Sie seien Anwohner und es wäre nur sehr „strange“ dass hier jemand ist. Es gebe so viele „bad people“ in der Welt. Aber für die „good people“ sei es kein Problem hier zu zelten und verduftete wieder. Puh, Glück gehabt 🙂 Hätte ich beim ersten Mal besser reagiert mit dem Zuklappen des Deckels, der hätte mich nie gesehen…

30.8.2020 Arnhem NL (Tag 89, 5’410km)

65.51km, 117hm, 4:24h, am morgen nebel, ab 14 uhr regen, 13°

Am Morgen als ich aufstand, hatte es das erste Mal Nebel auf meiner Reise. Zudem war es recht kühl. Zum Glück war ich im Wald und konnte das Zelt trotz Nebel trocken zusammenpacken. Die Wetterprognosen prophezeiten Regen ab Nachmittag, deshalb machte ich wenig Pausen und der Kaffee musste vorest warten.

1. Herbstnebel
Dit willen we toch niet?! Holländisch versteht man doch das Meiste
wie ausgestorben

Ich kam durch zig Dorfer und Städtli und überall schien tote Hose. Die meisten Restaurants und Cafés hatten geschlossen. War doch Sonntag, was ist los?

Die Holländer verfügen übrigens über ein sehr cooles Fahrradnetz. Und zwar arbeiten die nicht mit Routen, sondern mit Knotenpunkten. Du merkst dir einfach die Nummern der Knotenpunkten, an denen du gerne vorbeifahren würdest und folgst den Beschilderungen. Ich sah etliche Holländer, welche sich einen Spickzettel vorne am Lenker montierten, mit den Nummern. Ich machte es ihnen gleich und schaltete Navi ab und folgte ein paar Nummern, klappte ziemlich gut.

Dann ab 14 Uhr kam der Regen und es blieb den ganzen restlichen Tag feuchtnass. Immerhin hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt 40 Kilometer hinter mir.

Fähre über die IJssel, Nebenfluss des Rheins

Ich fuhr dann gut eine Stunde im Regen und kehrte in einer Bar ein und bestellte erst mal Kaffee. Dort blieb ich dann fast 2 Stunden und amüsierte mich beim Billardspiel von ein paar betrunkenen Holländern und schaute noch ein wenig Formel 1, bis alles wieder trocken war.

Café Biljart Slijterij Het Witte Huus in Ellecom

Ich buchte dann ein Apartment in Arnhem und fragte noch nach, wie es aussieht mit dem Unterbringen des Fahrrads, da ich nur einen Code erhielt für den Schlüssel, sprich, es gab keine Rezeption. Sie verwiesen mich auf den Hauptbahnhof, da könne man ein Fahhrad 24h gratis unterbringen. Das war mir aber zu kompliziert und hiefte das Fahrrad die super steile Treppe hoch direkt ins Badezimmer des Apartments. Das war vielleicht ein Murks, Hauptbahnhof wäre wohl einfacher gewesen 😉

29.8.2020 Haaksbergen NL (Tag 88, 5’344km)

74.79km, 243hm, 5:30h, teilweise sonnig, 15°

Ich erwachte erstmals gegen 10 Uhr und fuhr dementsprechend wieder nach dem alten Fahrwasser erst nach 11 Uhr los. Wetter war ideal, aber der Wind blies wieder etwas mehr und natürlich Gegenwind, what else.

Denn kennt man noch aus „Die Lümmel von der ersten Bank“!

Kam dementsprechend eher schleppend voran. Die Motivation war auch nicht mehr diesselbe wie am Vortag. Ich kam dann erst gegen 15 Uhr an die Grenze zu Holland. Es war nur eine grüne Grenze und einzig ein Markstein und die unverständlichen Beschilderungen liessen darauf hineweisen, dass ich wohl schon in Holland bin.

N = Niederlande?!
Markanter Hineweis dass man sich nicht mehr auf deutschem Boden befindet

In Denekamp kurz nach der Grenze ging ich mal Kaffee trinken denn mein Navi zeigte keine Karten an seit ich Niedersachsen verlassen hatte. Das bereitete mir doch bisschen Sorgen, auf dem Garmin gibt es doch nur 1 Europakarte?! Irgendwo tief in den Einstellungen sah ich dann, dass nur die Nord-Ost-Europakarte aktiviert war und die Süd-West-Karte eben nicht. Puh, da viel mir echt ein Stein vom Herzen, als dann eine detailreiche Karte von Denekamp angezeigt wurde. Ohne Navi wäre ich verloren. Oder müsste dann aufs Handy umsteigen.

Dem Mais konnte ich richtiggehend zuschauen wie er gewachsen ist in den letzten Wochen
Mit Mittelstreifen!

Gegen 17 Uhr kam ich dann nach Enschede und gönnte mir bei herrlichem Wetter ein Bierchen in einer Pop-Up-Bar in der Innenstadt. Die Restaurants und Cafés in der Innenstadt waren alle pumpenvoll mit Leuten. Maskenpflicht gibt es nur in ÖV, in Restaurants nicht.

Bier scheint ok zu sein
Pop-Up Bar mit coolem Sound
Bierchen in Enschede
bisschen rostig, sonst aber ok für die Post-Apokalypse
Typisches Vorort-Viertel in Holland

In Haaksbergen ging ich ins Coop einkaufen. Schon wieder Coop, hat aber nichts mit unserem oder mit den nordischen Coop zu tun. Ich wollte unbedingt wieder mal draussen schlafen, auch wenn nicht ganz klar war, ob die Nacht trocken bleiben würde. Auch wird es deutlich kühler. Wird wohl langsam an der Zeit nach Hause zu gehen 😉

Abends und nachts wirds langsam deutlich kühler

Übrigens sind die Velowege in Holland genau so, wie man sich das doch erhoffen würde vom Fahrrad-Land Nummer 1 in Europa, wo sich unglaubliche 36% aller Leute hauptsächlich mit dem Fahrrad fortbewegen, gefolgt von Dänemark mit gerade mal 23%. Die Wege sind vom allerfeinsten Asphalt, extra breit, meist noch mit Mittelstreifen und zum Teil hat man sogar Vortritt vor kreuzenden Autos.