29.7.2020 Paldiski EST – Kapellskär S (Tag 57, 3’481km)

46.20km, 91hm, 3:16h, bedeckt und heftiger gegenwind, 20°

Ich verliess das Hotel erst gegen Mittag und durchquerte wieder denselben Graben, über den ich bereits gekommen bin. Dreck hin oder her. Danach folgte ich wieder für ein paar Kilometer der Bundesstrasse in nördlicher Richtung. Der Wind blies ziemlich heftig aus Westen und mein Weg führte immer mehr nach Westen. Die letzten 15 Kilometer zogen sich unheimlich lange hin mit diesem starken Gegenwind. Wusste gar nicht mehr wie sich das anfühlt wenn du bei einer Böe fast stillstehst!

Das Ende naht vom Baltikum

Um ca. 16 Uhr schaffte ich es dann doch noch nach Paldiski. Ich visierte zuerst mal den Hafen an, um sicher zustellen, dass ich beim richtigen Hafen bin, gibt nämlich Mehrere. Stellte sich glücklicherweise als den Richtigen heraus 🙂 Danach ging ich zuerst nochmals die Essensvorräte komplett auffüllen im Supermarkt und liess mich dann in einer Pizzeria nieder. Genügend Zeit um noch ein wenig zu bloggen.

Gegen halb Sieben ging ich dann trotzdem schon zum Hafen und konnte bereits einchecken. Dann eines der letzten Sakus genehmigen und kurze Zeit später ging’s schon auf den litauischen Frachter Patria Seaways. Meine Rettung, eine der wenigen Fähren die momentan Personen transportieren.

yes, checked in!
Warten auf die Fähre, Zeit für ein estnisches Saku
Litauischer Frachter Patria Seaways

Ziemlich eindrücklich wieviele Lastwagen und Autos die da auf 2 Ebenen drinstopfen. Fahrräder waren neben meinem nur noch ein Zweites. Ich ging dann auf mein Zimmer und war doch vom Komfort etwas überrascht. Dachte wäre nur so eine Notliege, aber nichts da, normales Zimmer mit Sitzgelegenheit, Dusche, WC und Meeressicht. Mein Zimmernachbar sprach perfekt englisch, ein Litauer, welcher in Schweden arbeitet. Normalerweise geht er auch direkt von Klaipeda nach Schweden, jetzt muss er zuerst 6 Stunden Autofahren, bevor er die Fähre nach Schweden nehmen kann. Scheiss Corona.

Nettes Zimmer inkl. Dusche und Meeressicht

Der Frachter fuhr genau bei Sonnenuntergang los, etwas früher als geplant. Ich genoss noch ein wenig auf Deck die Abfahrt und ging dann direkt schlafen. Trotz dem Schaukeln schlief ich sofort ein.

Bye bye Estonia!

Tja, leider habe ich jetzt nicht viel von Estland gesehen, aber alles kann man nicht haben 🙂 Habe nun den Wendepunkt meiner Reise erreicht. Bis dahin ging ich von zuhause immer weiter weg. Ab jetzt komme ich mit jedem Tag wieder näher. Aber nun bin ich erst mal gespannt auf Schweden! Mal sehen ob das Bier wirklich so teuer ist wie alle sagen 😉

28.7.2020 Kohatu EST (Tag 56, 3’435km)

99.41km, 166hm, 6:02h, bedeckt, wenig wind, 22°

Es regnete genau bis 11 Uhr, und checkout war auch um 11 Uhr. Na besser geht es nicht und vorallem blieb es dann den ganzen Tag trocken. Ich fuhr dann noch in Pärnu noch ein wenig durchs Städtchen und danach folgte ich wieder der Bundesstrasse 4. Geplant war bis Märjamaa, ca. 70km, dann bleiben für den nächsten Tag nochmals 65km.

Pärnu
Bin zwar kein Kirchengänger, aber einfach schöne Gebäude!
Diese Scooter von der esntischen Firma Bolt stehen in ganz Estland an jeder Ecke rum. Coole Idee! Und die Dinger sind schnell…

Ein paar Kilometer vor Märjamaa ging es endliche wieder mal von der Bundesstrasse weg und über ungeteerte Strassen. Da wusste ich, dass ich wohl noch weiter fahren würde als die geplanten 70km. Wetter war gut und kann nicht schaden noch etwas näher bei der Fähre zu sein für den nächsten Tag. Ich fand dann ein Hotel nochmals 30km weiter, campen kam nicht in Frage, hatte ziemliche Gewitter gemeldet für die Nacht. Gäbe dann gut 100km, sollte aber drinliegen, Bedingungen sind ideal. Dann kam aber gleich ein super mühsamer Feldweg für ca. 8km mit endlos vielen Pfützen und schlammigen Boden. Na das kann ja heiter werden.

Sowas siehst du nur auf Nebenwegen
8km schwierige Verhältnisse. Das gab ein paar Mal ein Gefluche…

Ich kam dann um 17 Uhr in Märjamaa an und ab da alles wieder der Bundesstrasse nach. Irgendwo trennte sich die Bundesstrasse in einen neuen Abschnitt mit Baustelle welcher noch nicht einmal auf meiner Karte eingezeichnet ist. Ich fuhr zuerst dem neuen Abschnitt nach, aber da dies nicht meiner Route folgte, kehrte ich um und folgte der anderen. Das Hotel lag ziemlich nah an der Bundesstrasse, aber keine Ahnung ob am alten oder am neuen Abschnitt! Fuhr dann den alten Abschnitt entlang und hatte kein gutes Gefühl, denn ausser mir war niemand auf der Strasse, obwohl ich noch der Route auf dem Navi folgte. Kurze Zeit später kam auch das Fahrverbotsschild. Ich übersah das Schild und folgte trotzdem noch der Strasse bis ich eine Gelegenheit sah, querfeld auf den neuen Abschnitt rüber zu gehen. Kurz nachdem ich auf dem neuen Abschnitt fuhr, sah ich schon das Hotel! Problem war aber, dass ich kein Zubringer fand! Und wieder musste ich durch einen schlammigen Graben um zum Hotel zu gelangen. Danach sah ich aus, als käme ich direkt von eine Radquer-Rennen.

…dann wieder assglatter Asphalt…
Mist, habe die „falsche“ Bundesstrasse erwischt, die neue war nicht mal auf meiner Karte!

Ich freute mich schon aufs Restaurant im Hotel, aber dann die Ernüchterung, Restaurant war geschlossen. Schade, aber egal, ich schleppe nicht vergebens immer genügend Proviant mit mir rum. Jetzt sind es noch knapp 42km bis Paldiski und kann den nächsten Tag gemütlich in Angriff nehmen.

27.7.2020 Pärnu EST (Tag 55, 3’347km)

74.77km, 82hm, schön und bedeckt, ideale temp., 23°

Dieser Camping Milleri gefiel mir ausserordentlich gut, hier könnte man gut länger verweilen. Sehr luxuriöse Duschen und WC-Anlagen, sehr schöner Strand, viele schöne Unterstände (meist auch mit Strom) und eine coole Bar.

Bester Camping bisher von der Infrastruktur her

Der Bundesstrasse A9 folgte ich nur noch kurz bis es auf eine kleinere Strasse abbog Richtung Ainaži und dann kam auch schon die Grenze zu Estland. Natürlich stand da niemand. Nun sollte mich auch nichts mehr aufhalten um nach Schweden zu gelangen.

Eesti! #9

Dieser Strasse konnte ich dann fast 35km folgen und praktisch kein Verkehr. Sehr angenehm und ging durch etliche estnische Dörfchen und auch immer nah an der Küste entlang.

Praktisch null Verkehr, sehr schön zum Fahren
Eurovelo 10 und 13 führen auch der Küste entlang

Ich folgte auch mal wieder den Eurovelo-Routen. Diese führen häufig aber auch den Bundesstrassen entlang. Irgendwann kam ich in Pärnu an, die letzte Stadt an der Westküste. Ab da ginge die Eurovelo-Route 13 immer noch der Küste entlang und dann auch auf 2-3 Inseln. Das wäre sicherlich eine sehr schöne Route, leider fehlt mir aber die Zeit und fahre direkt durchs Landesinnere Richtung Paldiski. Sind von Pärnu noch gut 135km.

Ich reservierte mir ein gemütliches Cabin, da es für die Nacht und den nächsten Morgen Regen meldete. Ich ging dann später zu Fuss noch ins nächst gelegene Pub und genehmigte mir noch ein richtiges Abendessen.

Gemütliches Cabin

Estnisch gefällt mir bisher sehr gut! Alle sagen einfach nur Tere! Hallo! Ganz einfach. Und Aitäh für Danke. Mit diesen zwei Wörtern holst du schon ziemlich viele Sympathien beim Einkaufen oder im Restaurant.

26.7.2020 Salacgrīva LV (Tag 54, 3’272km)

76.51km, 127hm, 4:28h, sonnig und angenehme temperaturen, 23°

Habe schon wieder viel zu viel Zeit gebraucht für den letzten Blogeintrag. Dieser hier wird etwas kürzer ausfallen, möchte ich doch noch ins Pub etwas essen und trinken gehen 😉

Sicht vom wild camp aus 120m Höhe
Morgentliches Ritual

Waren wieder sehr viele Kilometer auf den Bundesstrassen, deshalb gibt es auch nicht viel zu berichten. Ich spulte die Etappe im Autopiloten ab und zwischendurch gab es mal einen Abstecher an die wunderschönen Sandstrände.

Mein Schutzschmetterling und Glücksbringer vom Göttimeitli Livia!
Sehr schöne Strände und vorallem nicht viele Leute

Ich hatte am Morgen bereits ein Hotel gebucht in Ainaži, 1km vor der estnischen Grenze, aber nur, weil man dieses bis um 18 Uhr kostenlos stornieren konnte. Von dem machte ich dann um 17:45 Uhr auch Gebrauch, denn ich fand einen wunderschönen Campingplatz gleich an der Strasse mit Zugang zum Strand und mit einer Bar ausgestattet. Ursprünglich hat es nämlich Regen prophezeit für den Abend und Nacht, aber mittlerweile sah es so aus, als würde es trocken bleiben. Mann, war ich froh diesen Camping gefunden zu haben, war extrem gemütlich mit netten Unterhaltungen mit Nachbarn und Gastgebern.

Nach dem 3-tage-blog-schreiben ging ich 15 Minuten vor Sonnenuntergang noch an den Strand und erst danach kochte ich gegen halb 11 nachts mein Abendessen. Unglaublich, keine Zeit für nichts!

Sorry, aber das ist ein absoluter Hammer-Shot!

25.7.2020 Siguļi LV (Tag 53, 3’195km)

74.86km, 505hm, 5:01h, anfangs regnerisch, danach sonnig, 17°

Ich erwachte das erste Mal früh nach nur etwa 4 Stunden schlafen und schmiss gleich mein Laptop an. Wollte eine Lösung wie weiter. Und es ging auch noch darum den Flug von Nici umzubuchen und Hotel irgendwie zu verschieben. Morgens um 7 Uhr hatte ich Nici’s Flug umgebucht, musste alles vor dem eigentlich Abflug passieren. Wir werden nun im Mai ’21 Riga nachholen. Es gelang mir dann sogar auch das bereits gebuchte Hotel auf dieses Datum umzubuchen! Und für 110 Euro gibt es auch noch einen günstigen Flug für mich 🙂 In dem Fall kann ich Riga im Schnelldurchlauf passieren.

Dann ging’s zum nächsten Schritt. Eine Möglichkeit war ja, dass wir uns in Stockholm treffen, nur das Problem war, ich fand fast keine Fähren! Die sind momentan auch nur auf Sparflamme. Nach langer Suche fand ich endlich eine von Paldiski (Estland) nach Kapellskär (Schweden). Fährt nur 2x pro Woche und die nächste ist am Mittwoch, 29. Juli, mit paar wenigen freien Plätzen, das könnte passen. Sind zwar knapp 380km in 5 Tagen, gibt jeden Tag 75km, das sollte aber zu packen sein, wenn auch mit etwas mehr Hauptstrasse als sonst. Die Fähre nach Kapellskär dauert 10.5h und fährt über Nacht. Kapellskär ist 100km entfernt von Stockholm und ich brauche dann 2 Tage. Sprich, am Freitag 31. Juli werde ich in Stockholm sein. Passt perfekt für einen zweiten Versuch sich zu treffen. Fähre sofort gebucht und Nici fand einen entsprechenden Flug nach Stockholm über München mit Lufthansa. Ich reservierte schnell noch ein Hotel und Problem gelöst! Jetzt muss es nur noch mit der Einreise klappen in Schweden und zwar ohne Quarantäne.

Frühstücken
Yes, Fähre nach Schweden ist gebucht für schlappe 63€ in 2er-Zimmer mit Meersicht!

Aija war mir auch eine sehr grosse Hilfe. Sie kam mit Ideen und gab mir Ratschläge. Ich war so froh bin ich bei Ihnen gelandet, keine Ahnung was passiert wäre, Nici hätte das mit der Quarantäne wohl erst am Flughafen bemerkt. Zudem haben die mich nach Strich und Faden verwöhnt, schon extrem tolle Sache, dieses Warmshowers. Menschen die ihr zuhause einfach wildfremden Leuten zur Verfügung stellen und zwar kostenlos. Respect!

Aija mit Kindern

Ich fuhr erst gegen 13 Uhr weiter und genau dann begann es zu regnen und zwar heftigst! Zum Glück war das Ganze aber nach gut 2 Stunden auch schon wieder vorbei und die Sonne kam zum Vorschein und als ich in Riga ankam, verschwanden auch noch die restlichen Wolken.

Frisch geteerte Bundesstrasse für mich alleine (Baustelle)
Yes, Riga in Sicht!

Riga durchfuhr ich ziemlich schnell. War mir nicht mal sicher, ob ich es bis in die Altstadt schaffen würde, denn Riga ist absolut nicht fahrradtauglich! Bis zur Altstadt fand ich fast keine Velowege. Ich schaffte es dann doch noch in die Innenstadt und genehmigte mir bei absolutem Sonnenschein ein wohlverdientes Bierchen.

Die wissen sich wenigstens zu beschäftigen! Die meisten Taxi-Fahrer sitzen jeweils nur rum…
Riga im Schnelldurchlauf
keine einzige Wolke mehr

Da ich bis Riga erst 45km gefahren bin, wollte ich an diesem Abend noch weiter. Ich fuhr noch gut 30km bis endlich die letzten Ausläufer der Vorstadt vorbei waren und ich in einem Wald ein schönes wild camp fand. Ich schlug das Camp erst gegen halb 10 auf und ging mehr oder weniger direkt schlafen, war sehr müde nach dem anstregenden Durcheinander.

Aber nun bin ich eigentlich ziemlich zuversichtlich dass es mit Stockholm klappen wird. Ok, war schon zuversichtlich für Riga, was soll da schon passieren 😉

24.7.2020 Jelgava LV (Tag 52, 3’119km)

54.69km, 108hm, 3:16h, regnerisch und kühl, 17°

Die Frage war ob an die Küste oder auf direktem Weg Richtung Riga. Über die Küste wären es gut 30km mehr und da das Wetter nicht so toll gemeldet hatte, entschied ich mich für den direkten Weg. Auf halbem Weg nach Riga liegt Jelgava. Ich fand ein entsprechendes Apartment und schrieb zusätzlich auch wieder mal einen Warmshowers Host an, hatte ich in letzter Zeit ein wenig vergessen.

Hübsches Zimmer

Wetter war wieder einmal nicht wirklich toll, aber an diesem Tag regnetes es zumindest jeweils nur kurz und hatte auch zumeist Rückenwind.

Coffee break
Chocolate break

Irgendwann am Nachmittag erhielt ich dann eine Meldung von Aija auf Warmshowers dass ich bei Ihnen übernachten könne! Perfekt! In Jelgava fuhr ich noch ein wenig durch die Stadt und schaute mir noch ein paar Sachen an und ging dann zu meine Gastgeber, welche ziemlich nahe zur Stadt ein Einfamilienhaus haben.

Schloss Jelgava

Ich wurde von Aija und den vier Kindern herzlichst begrüsst. Sie zeigte mir erst mal mein eigenes Zimmer und stellte mir dann ein Bier auf den Tisch. Wie Hotel, nur besser. Ihr Mann, Oskars war nicht zuhause, der war an diesem Wochenende auf einem Mountainbike-Event, wo es darum ging, 340 Kilometer in 42h von A nach B zu absolvieren mit 5 checkpoints. Eine Art Orientierungslauf für Biker. Crazy shit, 340km!!

Ich konnte noch all meine Wäsche waschen und dann kochste Aija mir und den Kindern etwas Leckeres und dann kam die Hiobsbotschaft. Eine Kollegin von Aija erzählte ihr am Telefon etwas von Quarantäne für Schweizer, welche in Lettland einreisen wollen. Ich konnte es zuerst nicht glauben und Aija rief danach noch das lettische Ministerium an und wurde bestätigt. Seit dem 24. Juli gilt eine 14-tägige Quarantäne für alle Schweizer welche in Lettland einreisen! Das darf jetzt nicht war sein, Nici würde am nächsten Morgen nach Riga fliegen!

Besser als in einem Hotel, eigenes Zimmer mit Bad UND Waschmaschine und Trockner!
Grenzwert in Lettland liegt bei 16 Neuinfektionen auf 100’000 Einwohner kumuliert auf 14 Tage. Wegen 0.3% zuviel, das sind hochgerechnet nur 24 Neuinfektionen zuviel für die ganze Schweiz! Ein einziger Covid-Vollidiot-Partygänger-mit-Symptomen weniger hätte allemal gereicht um unter der Grenze zu bleiben.

Am Vorabend um ca. 21 Uhr vor dem sehnlichst erwarteten Zusammentreffen erfährt man, dass dies nicht geht. Unglaublich, ein einziger Tag und wegen minimal übertroffenem Grenzwert. Brutal. SCHEISS-CORONA!

Bisher wurde ich ja extrem verschont mit den Covid-Problemen an den Grenzen. Aber nun wird es auch für mich etwas komplizierter. Ich habe am selben Abend auch noch erfahren, dass auch in Estland und Finnland eine Quarantäne-Pflicht herrscht für Schweizer. Eine Variante um von „da oben“ wieder nach „unten“ zukommen, wäre ein Fähre von Helsinki nach Travemünde gewesen, das entfällt nun auch.

In dieser Nacht ging ich erst gegen 3 Uhr schlafen. Ich telefonierte mit Nici die halbe Nacht, um eine Lösung zu finden, wie wir uns eventuell trotzdem noch treffen könnten in der nächsten Zeit und ich musste mir überlegen wie es allgemein weiter gehen soll. Es gibt wohl nur eine Lösung, Flucht nach Schweden!

Ich habe ja insgeheim immer gehofft über Schweden wieder in den Süden zu fahren, aber in den letzten paar Wochen sah es nicht mehr so aus. Bis vor etwa einer Woche, wo dann Schweden plötzlich nicht mehr auf der Liste stand für gefährdete Länder und die Fallzahlen stark abnahmen. Dänemark hat zwar die Grenze immer noch nicht offen für etwa die Hälfte der schwedischen Län (Regierungsbezirke), aber jede Woche werden es mehr.

23.7.2020 Biksti LV (Tag 51, 3’064km)

24.56km, 89hm, 1:42h, 15°

Ging wieder ziemlich lange am Morgen, bis ich mein Camp ohne Regen zusammenpacken konnte. Da ich immer noch auf der Bremse stand bis Riga gab es aber nur eine kurze Etappe. Nach 2x wild camp und 1x Campingplatz war wieder einmal ein Hotel dran.

Zeitvertreib bis aufhört zu regnen
endlich kurze Aufhellungen, aber im Hintergrund brodelt sich schon wieder etwas zusammen
Jeder kurze Sonnenschein wird ausgenutzt

Nach schlappen 25km, wenn auch nicht ganz einfachen, checkte ich früh im Hotel Dzirnavinas in Biksti ein und genoss im gemütlichen Café gleich nebenan den Nachmittag und Abend.

Übrigens haben mir Karolina und Aleksander noch geschrieben, die Gastgeber in Polen, die sind jetzt unterwegs an die Baltische See. Und das mit einem bleischweren Tandem aus den 70ern und den beiden Kindern und Hund! Unfassbar.

Ein Fahrrad für 4 Personen und 1 Hund

22.7.2020 Auce LV (Tag 50, 3’039km)

54.32km, 186hm, 4:10h, regen und sehr windig, kühl 12°

Die ganze Nacht und auch am Morgen regnete es immer wieder. Erwacht, ok regnet noch, weiterschlafen. Ich schlief dann noch bis 10 Uhr weiter bis es endlich aufhörte. Sofort aufstehen, alles zusammenpacken, wenn auch nass und sofort los. Kaffee gibt es dann unterwegs.

Es sah schon wieder sehr düster aus und nach ca. 40 Minuten fand ich einen Unterstand mit Tischen und Bänken. Kurze Zeit schüttete es auch schon. Erst mal Kaffee und Tagebuch schreiben. In diesem Unterstand blieb ich fast 2 Stunden, da es nicht mehr richtig aufhören wollte. Und dieser Wind! Irgendwann hörte es auf und ich fuhr endlich weiter. Bei Regen loszufahren ist viel schwieriger, als wenn es anfängt zu regnen wenn du bereits unterwegs bist.

Kurze Zeit später kam ich zur litauisch-letischen-Grenze und ab da wurden die Strassen massiv schlechter. Alles Schotterpiste. Diese wären unter normalen Umständen auch kein Problem zum fahren, aber bei dem Regen sind diese extrem durchnässt und obendrauf ziemlich schlammig. Durchschnittsgeschwindigkeit 8-10km/h, da kommst du nicht weit.

Das wars dann leider mit dem schönen Asphalt…
Latvija! Immerhin schon Land Nummer 8
Die ersten beiden Kirchen gleich nach der Grenze in Lettland

Auch allgemein war der erste Eindruck von Lettland eher mittelmässig. Diese Strassen und die baufälligen Kirchen und Ruinen. Wo bin ich denn da gelandet 😉 Wenn man aber das Bruttoinlandsprodukt von Litauen und Lettland vergleicht, die sind fast identisch! Ist doch wieder einmal eher Zufall.

Nächster Meilenstein um 1.4km verpasst. Man beachte 8.2°!

Ich fuhr bis Vitini. Dort wollte ich in eine Unterkunft, welche Andi 2 Tage vorher schon besuchte. Die Frau konnte nur lettisch und russisch und das Zimmer konnte man nicht abschliessen und Handyempfang war in etwa so gut wie in der hintersten Ecke vom Sensegraben. Ne, so nicht, weiter. Das Wetter war mittlerweile ziemlich gut und ich ging in Auce einkaufen und suchte mir ein wild camp. Prognosen für die Nacht und für den nächsten Tag waren zwar nicht so toll, war mir zu diesem Zeitpunkt aber egal.

Yes, hier fährt man noch Golf II! Immerhin bereits 28 Jahre her, seit der letzte von der Stange ging

Kurz nach Auche fand ich ein Plätzchen und liess mich nieder. Immerhin war es bereits 21 Uhr obwohl ich nur 54km gefahren bin! Bevor ich das Zelt aufbaute, kam ein Auto herangefahren. Ups, kein gutes Zeichen, der wollte zu mir! Der Fahrer erzählte mir das sie hier jagen gehen und ich fragte ob ich denn verschieben soll? Sie verneinten und sagten mir, dass sie in die andere Richtung schiessen würden. Na das ist doch beruhigend. Später wollte der Jäger noch ein Selfie machen mit mir und dem Zelt, konnte nicht glauben dass sie je jemand in „seinem“ Jagdgebiet verirren würde.

Apfel-Baum-Camp
lettische Jäger in meinem Campgebbiet, oder ich in ihrem Jagdgebiet, je nach Betrachtungswinkel

Übrigens sind es jetzt bereits 50 Tage und schon über 3’000km! Vermeintlich die Hälfte meiner Reise. Jedenfalls von den Tagen her, von den Kilometer eher nicht, glaube nicht dass ich nochmals 3’000km machen werde. Mal sehen.

21.7.2020 Mažeikiai LT (Tag 49, 2’984km)

61.45km, 234hm, 3:29h, schön, extrem rückenwindig, 19°

Nach der nassen Nacht blieb der Morgen trocken und ich wartete geduldig bis alles trocken war. Danach fuhr ich weiter dem See entlang auf den durchwegs asphaltierten Velowegen. Ich fuhr an mindestens 10 Campingplätze vorbei und fast alle waren leer! Ist aber ein absoluter Hotspot mit Campingplätzen, ansonsten doch eher dünn gesät, ausser an den Küsten, da gibt es immer überall Plätze.

Auch sehr schöner Campingplatz und weit und breit keine Menschenseele
another sand hell

Danach ging es kurz über ein paar sandige Wege zurück auf die Strasse. Hier war ich sehr froh war der Weg nur relativ kurz, denn wenn es selbst zum Schieben mühsam wird… Danach fuhr alles auf breiten, kaum befahrenen Strassen mit viel Rückenwind Richtung Mažeikiai.

In Mažeikiai hatte ich mir vorgänging ein Hotel ausgesucht. Aber es war erst 16 Uhr und das Wetter sah ziemlich gut aus, auch wenn es für den nächsten Morgen ziemlich Regen gemeldet hat. Egal, das letzte wild camp ist schon eine Ewigkeit her und ist bereits die letzte Gelegenheit in Litauen nochmals draussen zu schlafen. Also ging ich einkaufen und weiter gings.

Super moderne Fussgänger-Zug-Überführung
peace

Bereits nach ca. 3km ausserhalb Mažeikiai bog ich direkt von der Hauptstrasse in einen kaum sichtbaren Feldweg hinein und fand ein entsprechendes Camp nach gut 100m. Ist eigentlich immer extrem einfach ein Camp zu finden bei dem du völlig für dich alleine bist. Bisher begegnete ich ausser ein paar Pilzsammlern nie irgendwelchen Leuten bei meinen Camps. Easy.

Extrem guter Windschutz…
…und sehr weicher Boden

Tja, das wars dann schon fast von Litauen, am nächsten Tag geht es bereits nach Lettland! Und schon wieder komplett andere Sprache…

20.7.2020 Beržoras LT (Tag 48, 2’923km)

60.69km, 374hm, 3:51h, schön, schwül, heiss und rückenwind, 30°

Ich checkte im Hostel in Palanga erst gegen 12 Uhr aus und ging dann zuerst einkaufen. Deshalb war es bereits halb eins bevor ich losfur. Puh, die Hitze und Luftfeuchtigkeit macht ganz schön zu schaffen. An einer Überquerung der Schnellstrasse traf ich einen spanischen Autostöpler und wir quatschten eine Viertelstunde mitten auf der kleinen Insel. Er ist bereits seit einem halben Jahr unterwegs und verbrachte 3 Monate in Österreich während dem Lockdown. War eine nette kleine Unterhaltung.

Spanischer Paradiesvogel
Das ist mal ne richtige Mühle!

An diesem Tag ist bis Plateliai geplant, Naturschutzgebiet mit vielen Seen und vielen Campingplätzen. Sind ca. 60km mit 3-400hm, also relativ easy Etappe. Vor mir am Horizont wurde es immer dunkler. Da ich aber Rückenwind hatte und hinter mir stahlblauer Himmer war, hatte ich keine Angst vor schlechtem Wetter. Musste nur schauen, dass ich nicht zu schnell fuhr, denn ich kam immer näher an das Gewitter heran. Dies verdeutlichte sich auch an den zunehmend nasser werdenden Strassen.

wie gemalen!
highway to hell
hmm, wollte weiterfahren, aber zum Glück war da ein Schild

Bisher habe ich noch gar nicht gross über Litauen gesprochen, obwohl ich schon eine Woche hier bin. Was ganz klar auffällt, ist das hier viel mehr Leute englisch sprechen. Praktisch in jedem Restaurant, auf jedem Camping und jedem Hotel sprechen sie englisch! Hier kann man sich ganz klar besser verständigen als in Polen. Aber auch litauisch ist äusserst schwierig, schon nur zu sagen, dass man kein litauisch spricht (aš nekalbu lietuviškai) ist ein Zungenbrecher und mit Wörtern bespickt, die man sich einfach nicht merken kann. Da man sich mit englisch aber besser durchsetzten konnte, lernte ich nicht mal die gängigsten Floskeln. Bei Guten Tag (laba diena) und Danke (ačiū, gesprochen aatschu) hörte es bereits auf mit meinem Latein.

Die Litauer sind auch ein wenig scheu, kaum jemand spricht mich jeweils an. Möglicherweise liegt es mittlerweile auch mit meinem Aussehen zusammen, mit diesem radfahrenden, bärtigen Clochard will niemand etwas zu tun haben 😉 Aber wenn man sie mit einem überschwänglichen laba diena! grüsst, sind sie zwar überrascht, aber grüssen doch meistens auch zurück.

Übrigens haben alle drei baltischen Staaten den Euro. Litauen allerdings erst seit 2015. Lettland seit 2014 und Estland seit 2011.

Wer hätte aus dem effeff gewusst wie die litauische Fahne aussieht?

In Beržoras fand ich einen schönen Camping direkt am See. Hatte zwar kein fliessend Wasser, dafür direkten Zugang zum See. Für 6€ kannst du auch nicht allzuviel erwarten. Anstatt eine Dusche gab es einen Sprung in den See. Auch gut.

Ich ging wieder früh schlafen und in der Nacht regnete es immer wieder, aber zumindest gab es kein Gewitter.